Wussten Sie eigentlich, dass Tina Hertel, eine der profiliertesten und angesehensten Reiterinnen aus Berlin, dazu engagierte Sportwartin und Trainerin beim Reit-und Fahrverein Kleeblatt und schließlich auch Organisatorin des jährlichen Reit- und Springturniers am nord- östlichen Rand der Hauptstadt …
- als kleines Kind in Neu-Delhi bei einem Empfang der großen indischen Premierministerin Indira Gandhi die Hand hatte schütteln dürfen?
- als heranwachsendes Mädchen eine hoch veranlagte Turnerin und Wasserspringerin war und in Dresden die Kinder- und Jugend- sportschule (KJS) besuchte?
- als junge Frau im weißen Brautkleid mit ihrem Mann Andreas zu ihrer Trauung in Berlin von Malchow bis zum Standesamt am Weißensee ritt?
All diese bislang weitgehend unbekannten Begebenheiten verriet sie in einem Gespräch mit REITEN und ZUCHT wenige Tage nach ihrem 60. Geburtstag, den sie im Familienkreis in einem Restaurant in Marienwerder gefeiert hatte. In der Tat, es war eine aufregende, aber auch sehr interessante Vergangenheit, die die sympathische Amazone geprägt hat, die heute in Börnicke mit ihrem Mann einen Zucht-, Ausbildungs- und Verkaufsstall leitet, aber nach wie vor tüchtig im Sattel sitzt, wie jüngst beim Turnier in Wustrow.
Weil ihr Vater Peter Rost, Direktor für Landmaschinenbau, zwischen 1969 und 1974 beruflich in Indien tätig war, musste auch die Familie mit. Tina, klein und zierlich, besuchte in der deutschen Botschaft die Schule, wo ihre Mutter unterrichtete. In der Freizeit turnte sie bei einem russischen Trainer und in den Ferien durfte sie dann sogar auch reiten in der Himalaja-Region.

© TINA HERTEL | PRIVAT

TINA HERTEL AUF LARCON’S LEPORELLO
FOTO | © SCHROEDER
Wieder daheim in Dresden, wo sie am 2. Mai 1963 geboren wurde, erkannte man frühzeitig ihr Talent für zwei medaillenträchtige Sportarten, so dass ihr ein Platz in der KSJ zugebilligt wurde. „Mit dem Turnen klappte es nicht besonders, weil ich nicht früh genug damit begonnen hatte. Wohl aber mit dem Wasserspringen, wo ich sogar an DDR- Meisterschaften teilnehmen durfte“, so heute Tina Hertel, die dann eines Tages in Neustadt in Sachsen, wohin ihre Eltern inzwischen umgezogen waren, auch mit dem Voltigiersport in Berührung kam – nach der Aufforderung eines Lehrers im Galopp auf das Pferd zu springen“, was sie prompt meisterte. Dabei blieb es nicht. Es bestand nämlich auch eine Reitmöglichkeit und zwar auf einem Halbblüter namens Prinz, mit dem sie es bis zu Prüfungen in der M-Dressur und im M-Springen schaffte.
Dann kam 1982 das Studium an der Humboldt-Universität in Berlin mit dem Abschluss als Diplom Agrar-Ingenieurin. Anschließend war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und dank Erich Oese, dem Präsidenten des DDR-Pferdesportverbandes, eine Mitgliedschaft bei dem Reitverein in Malchow, der ursprünglich als Sektion eines Baukombinats existierte und sich 1991 neu gründete und in RuFV Kleeblatt umbenannte. Seit dieser Zeit hat Tina Hertel dort ihre Handschrift hinterlassen, als langjährige Voltigier-Trainerin, als Sportwartin und Turnier-Organisatorin sowie als Reiterin, die es sogar 2004 bis zur Landesmeisterschaft von Berlin-Brandenburg brachte.
,,Ursprünglich sollte ich eine Turnerin oder Wasserspringerin werden“
Ursprünglich wollte sie Tierärztin werden, begann auch mit einer Doktorarbeit – doch die Wende brachte Vieles durcheinander, zumal Tina Hertel 1987 ihren Andreas geheiratet hatte und es außerdem galt, zwei kleine Kinder, Felix und Florian, zu versorgen. Die beiden Jungs, gerade zwei Jahre bzw. drei Monate alt, wurden übrigens mit Oma und Opa in der Kutsche zu jenem Weißenseer Standesamt gefahren, wo ihre Eltern heiraten wollten und mutig hoch zu Ross die vier Kilometer lange Strecke vom Märchenweg in Malchow angeritten kamen, um sich das Ja-Wort zu geben. Die Braut, im weißen Kleid, mit Hütchen, Rosenstrauß und Reitstiefeln und im Damensattel des Schimmels Tajo sitzend, der zukünftige Ehemann im ganz normalen Anzug auf dem Rappen Grazy.
,,Nach der Zeremonie drehten wir beide, frisch getraut, im Galopp eine Runde um den Weißensee, verfolgt von einem Pulk von Vereinsreitern“, erinnerten sich beide, die dann 1997 den nächsten Schritt vollzogen, sich selbstständig machten und nach längerem Suchen in Börnicke etwas Passendes fanden, wo sie heimisch wurden und sich voll und ganz den Pferden widmeten. Derzeit stehen insgesamt 19 Vierbeiner auf dem landwirtschaftlich betriebenen Hof, zu dem ein Reitplatz und 24 Hektar Koppeln und Grünland gehören.
Und was haben die beiden so für Wünsche? Tina Hertel: „Wieder einmal ein Pferd zu haben, mit dem ich bei S*-Springen gut mithalten kann. Mein siebenjähriger Wallach Urikos Unicos scheint in dieser Beziehung einiges zu versprechen. Doch im Moment kuriert er eine Schulterverletzung aus, die er sich vor ein paar Monaten zugezogen hatte.“ Und sollte er eines Tages gut genug sein, dann wird ohnehin überlegt, ob er nicht besser verkauft werden sollte.
Außerdem möchte Tina Hertel gern noch einmal nach Indien, dorthin, wo sie einen Teil ihrer Kindheit verbrachte, während ihr Mann lieber Italien vorziehen würde. Das Problem: Wer versorgt zwei Wochen lang den Stall? Sohn Felix ist als Bühnentechniker bei der Deutschen Oper beschäftigt und Florian als Hufschmied stark gefragt.
Hansjürgen Wille

Beim Schmökern in Erinnerungen entdeckte Tina Hertel das wilde Hochzeitsfoto
FOTO | © WILLE
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion ‚REITEN und ZUCHT‘ in Berlin und Brandenburg-Anhalt – Ausgabe vom Juni 2023.
Das Privatbild von Tina Hertel und Indira Ghandi wurde dieser Webversion als inhaltliche Ergänzung nachträglich hinzugefügt.